Englischer Artikel von James Barrows, übersetzt von Simona Schulze
Die riesige Achterbahn Cyclone auf Coney Island in Brooklyn sieht auf den ersten Blick noch harmlos aus. Lassen Sie sich davon nicht täuschen. Während andere Achterbahnen versuchen, sich an Höhe und Schnelligkeit zu überbieten, verspricht eine Fahrt im Cyclone noch immer ein gewisses Abenteuer. Nach 76 Jahren rattern die Ketten genauso wie früher und werden nur vom Kreischen der ängstlichen Leute übertönt. Diese Achterbahn ist wie eine Art Zeitmaschine, die die Besucher sieben Jahrzehnte in die Geschichte von Coney Island zurückversetzt.
Der Cyclone wurde 1926 von den Unternehmern Jack und Irving Rosenthal konzipiert, nachdem sie ein kleines Gründstück zwischen der Surf Avenue und dem Boardwalk erworben hatten. Vorher stand auf dem Gelände bereits die erste Achterbahn der Welt, die Switchback Railway von LaMarcus A. Thompson. Nachdem die Fahrt mit einer Geschwindigkeit von 6 mph für die Besucher zu langweilig war, wurde sie durch eine neue Achterbahn – Loop-the-Loop – ersetzt. Die Rosenthal-Brüder planten nun eine neuartige und Aufsehen erregende Achterbahn.
In den 20er Jahren wurden die Achterbahnen immer höher und schneller gebaut und die Menschen überall in den USA waren begeistert. Als einer der experimentierfreudigen Baumeister galt Vernan Keenan. Die Rosenthals präsentierten ihm ihr Vorhaben. Die Pläne sahen vor, den Wagen 17 m mit einem Gefälle von 58 Grad steil hinabsausen zu lassen. Danach folgt eine Drehung, eine Fahrt nach oben und wieder mit einer Geschwindigkeit von 60 mph (95 km/h) nach unten. Die Entwürfe wurden der Harry C. Baker Company übergeben, die Stahlträger baute und das Werk 1926-27 vollendete. Am Morgen des 26. Juni warteten viele neugierige Menschen auf die Eröffnung. Am selben Abend jedoch konnte wohl niemand mehr geradeaus nach Hause gehen.
Der Cyclone entwickelte sich schnell zu einer Attraktion auf Coney Island und es wurden Legenden erzählt. Wie z.B. vom stummen Jungen, der plötzlich sprechen konnte, nachdem er im Cyclone mitgefahren ist. Er sagte: "Mir ist schlecht." Charles Lindbergh war von der Achterbahn so beeindruckt, dass er meinte: "Eine Fahrt mit dem Cyclone ist großartiger als ein Flugzeug bei höchster Geschwindigkeit zu fliegen." Um diese Attraktion stand immer eine große staunende Menschenmenge. Der Erfolg des Cyclones dauerte zwei Jahrzehnte an und war eine willkommene Abwechslung während des Zweiten Weltkriegs.
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung begann jedoch der Verfall des Vergnügungsparks. In den 50er Jahren zogen die Familien aus Brooklyn weg und amüsierten sich zu Hause, gingen in Themenparks oder unternahmen Ausflüge mit dem Auto. Coney Island vertrug sich nun mit der neuen Lebensweise nicht mehr. Wegen der geringen Einnahmen mussten in den 60ern viele Fahrgeschäfte schließen, der Cyclone schließlich im Jahre 1969.
Der Cyclone war der Verwitterung und Vandalismus ausgesetzt, bis sich ein Freizeitpark aus Texas bereit erklärte, den Cyclone nach Houston zu holen. Die Bewohner in Brooklyn setzten sich nun dafür ein, ihr Wahrzeichen zu erhalten und starteten eine Kampagne. Im angrenzenden Astroland Park wurde der Cyclone 1975 wieder eröffnet. Am Einweihungstag fuhren tausende Besucher in der Achterbahn. Um diese Sehenswürdigkeit zu erhalten, wurde der Cyclone 1988 von der Stadt unter Denkmalschutz gestellt und 1991 sogar als nationales Denkmal geehrt. Ganz Coney Island profitierte vom neu restaurierten Cyclone, weil wieder viele Gäste zum Vergnügungspark an den Strand nach Brooklyn kamen.
Viele Attraktionen aus der damaligen Zeit wie das Ebbets Field und die Baseballmannschaft The Dodgers sind gegangen. Geblieben sind eine wunderschöne Brücke, eine beeindruckende Achterbahn und eine Hochbahn dazwischen. Während einer zweiminütigen Ewigkeit können Sie den Charme des alten Brooklyns erleben – Nostalgie vermischt mit Adrenalin.